„Corona und mein schweres Lungenleiden
– keine gute Kombination!“

Christel Knie, 82, Rentnerin aus Buxtehude

„Corona hat mich umgeworfen. Seit der Krankheit bin ich nicht mehr allein aufgestanden. Ich kann nicht laufen, bekomme die Füße nicht mehr voreinander. Vor 20 Jahren bin ich aus dem Rheinland nach Buxtehude gezogen, seit drei Jahren lebe ich im Pflegeheim. Hier fühle ich mich wohl, und es liegt zu Fuß nur fünf Minuten von meiner Tochter entfernt. Im Oktober habe ich mir den Oberschenkelhals links gebrochen, ich war umgefallen, einfach so, und erhielt daraufhin ein künstliches Hüftgelenk. Rechts habe ich schon länger eine Hüftprothese. Nach der OP war ich in Nullkommanichts wieder auf den Beinen und mit dem Rollator unterwegs, alle Strecken bin ich selbstständig gelaufen. Im Rahmen der Hüft-OP hatte man festgestellt, dass mein Blut zu wenig Sauerstoff enthält und mir ein Sauerstoffgerät verordnet. Das sollte mir zwei Monate später einen besonders guten Dienst erweisen.

Corona kam im Dezember über unser Heim wie ein Tsunami, plötzlich waren viele Bewohner infiziert, manche starben, es war schrecklich. Eines Abends war es mir nicht gut. Fieber hatte ich nicht, aber die Gliederschmerzen waren heftig. Ich erzählte es der Pflegerin und wurde getestet: positiv. Drei Wochen lag ich im Bett, Weihnachten, Neujahr, zwischen Leben und Tod. An die Zeit erinnere ich mich nur vage, phasenweise war ich nicht bei mir. „Du hältst jetzt durch, du darfst nicht aufgeben“, haben die Pflegerinnen immer wieder gesagt. Als ich einmal das Bewusstsein verlor, schrie eine Schwester: „Du stirbst nicht, du bleibst hier!“ Und hat mir einen Klaps ins Gesicht gegeben, damit ich wieder zu mir komme. Da bin ich dann doch nicht über die Wupper gegangen, und wir haben zusammen geheult.

Krieg, Evakuierung, Flucht, Nachkriegszeit, berufliche Neuanfänge – ich habe einiges erlebt. Das Schlimmste war für mich, als meine Tochter nur knapp eine Hirnblutung überlebte. Da waren ihre Drillinge vier Jahre alt, ich habe sie eineinhalb Jahre lang versorgt. Das Schönste war, als es meiner Tochter wieder gut ging. Inzwischen sind die Enkel erwachsen. Sie und meine Tochter hatten mich gewarnt: „Pass gut auf wegen Corona, das überstehst du nicht!“ Denn ich leide an Lungenhochdruck, einer seltenen, unheilbaren Erkrankung, und werde im UKE seit einigen Jahren ambulant betreut. Mit den Medikamenten komme ich gut zurecht. Corona und das schwere Lungenleiden, das ist keine gute Kombination. In ein Krankenhaus wollte ich aber auf keinen Fall und habe dem Arzt im Heim erklärt, dass ich mit meinem Sauerstoffgerät schon über die Runden käme. So war es dann auch.

Die Corona-Folgen sind auch schlimm, aber da muss ich mir nur Sorgen um mich selbst machen, nicht um einen anderen Menschen. Jetzt konzentriere ich mich auf meine Kraft: Jeden Tag mache ich Übungen, damit die Muskeln wieder stärker werden. Mittlerweile kann ich sitzen und auch schon die Beine über die Bettkante bewegen. Stehen geht mit Unterstützung, Gehen noch gar nicht. Demnächst folgt eine geriatrische Reha, darauf freue ich mich. Ich setze große Hoffnung in die Behandlung. Mein innigster Wunsch ist, mit dem Rollator wieder allein zur Toilette, in den Speisesaal, zu meiner Tochter zu gehen. So wie vor Corona.“


Aufgezeichnet von: Ingrid Kupczik
Foto: Ronald Frommann