Ihr Fachgebiet: Menschliche Wärme
130 Ehrenamtliche arbeiten im UKE. Sie besuchen die Kranken und kümmern sich um die Dinge, für die im Klinikalltag meist nur wenig Zeit bleibt.
Dienstagmorgen, 9.30 Uhr, Reinhard Jerichow kommt zu seinem Dienst an den Ehrenamtstresen im Hauptgebäude des UKE. Kaum hat er seinen Arbeitsplatz eingerichtet, ruft Station 3c an, ein Patient braucht neue Straßenkleidung. „Wir haben oft Obdachlose, die mit nichts hierherkommen außer dem, was sie am Leibe tragen. Wir holen die verschmutzte Kleidung von der Station ab, waschen sie und suchen dann Ersatzkleidung in unserer Kleiderkammer aus“, berichtet der 71-Jährige und geht Richtung Station.
Ob am Infotresen im Hauptgebäude, auf den Stationen, im Kinder-UKE oder in der Notaufnahme – die Ehrenamtlichen sind auf dem gesamten Campus zu finden. Von montags bis sonntags stehen sie großen und kleinen Patienten und ihren Angehörigen zur Seite. Sie erledigen Besorgungen, lesen vor oder gehen mit ihnen spazieren. Vor allem aber hören sie aufmerksam zu und sprechen mit den Kranken über deren Bedürfnisse, Ängste und Sorgen. Auf eine einfache Formel gebracht: Sie schenken Zeit und Zuwendung im Krankenhausalltag. „Wir bringen Zeit mit, die das Pflegepersonal oft nicht hat“, sagt Christiane Mekhchoun bescheiden. Sie gehört, wie Reinhard Jerichow, zum Ehrenamtsteam unter der Leitung von Karin Plock und Katrin Kell. Ihr Einsatzort ist der prominente Ehrenamtstresen im Eingangsbereich des Hauptgebäudes, erste Anlaufstelle für Besucher, Patienten und Mitarbeiter des Klinikums.
Reinhard Jerichow ist ehemaliger Politik- und Sportlehrer und suchte nach seiner Pensionierung nach einer sinnvollen Aufgabe. Im UKE wurde er fündig, seine langjährige Berufserfahrung kommt ihm dabei zugute. Denn es sei nicht immer ganz leicht, Zugang zu den Patienten zu bekommen: „Mal frage ich danach, wie es dem Patienten geht oder woher er kommt, manchmal bietet auch das Wetter den richtigen Einstieg in ein Gespräch.“
„Man bekommt ein Gespür dafür, ob jemand reden möchte oder nicht“, findet Christiane Mekhchoun. Die ehemalige Versicherungskauffrau setzt sich seit zweieinhalb Jahren am Freitagvormittag ganz bewusst für fremde Menschen ein. Die 62-Jährige kennt das UKE auch aus der Patientenperspektive und weiß, dass Menschen, die auf eine Operation warten oder schon lange im Klinikum behandelt werden, oft großen Redebedarf haben.
Besonders bei Alleinstehenden sei das so, hat Reinhard Jerichow festgestellt: „Ich habe immer noch Kontakt zu einer Patientin aus Ungarn, die sich einer schweren Operation unterziehen musste. Häufig habe ich sie auf der Station besucht und als es ihr besser ging, kam sie zum Kakaotrinken an den Tresen. Sie war alleine hier, sprach kaum Deutsch und suchte dringend eine Wohnung in Hamburg. Dabei habe ich ihr geholfen und auch nach der Entlassung Kontakt zu ihr gehalten“.
Gefragte Hilfe auf den Stationen
Auf den Stationen oder in der Notaufnahme sind die Ehrenamtlichen nicht mehr wegzudenken. Katrin Kell sieht in ihnen eine Ergänzung zur medizinischen Krankenhausbetreuung. Die 37-Jährige koordiniert seit 2014 den Dienst der Freiwilligen. „Wir wollen für jeden Interessierten den richtigen Einsatzort finden. Es gibt Ehrenamtliche, die möchten gern im Kinder-UKE arbeiten, andere in der Angehörigenbetreuung auf den Intensivstationen oder auf einer normalen Pflegestation. Jeder kann im Vorfeld hospitieren, um Einblick in sein künftiges Tätigkeitsfeld zu bekommen.“ Rüstzeug wie Gesprächsführung oder der Umgang mit Konfliktsituationen, Einweisungen in die Hygiene und Datenschutz erhalten die Ehrenamtlichen in Grund- und Basisschulungen, regelmäßige Fort- und Weiterbildungen zu sozialen und medizinischen Themen folgen. Alle zwei Monate gibt es Teammeetings, damit die Ehrenamtlichen sich untereinander austauschen und ihre Erlebnisse teilen können. Selbstverständlich unterliegen die Ehrenamtlichen der Schweigepflicht.
Dankbarkeit kommt zurück
„Man muss schon mit beiden Beinen fest im Leben stehen und anpacken können“, sagt Christiane Mekhchoun, wenn man sie fragt, welche Voraussetzungen für das Ehrenamt erforderlich sind. Sie erinnere sich gut an einen jungen querschnittgelähmten Mann. „Er saß in einem E-Rollstuhl und wollte ins Café einkehren. Das war gar nicht so einfach, denn trotz der abgeflachten Bürgersteige gibt es für Menschen im Rollstuhl viele Barrieren, die andere Menschen nicht bemerken. Gemeinsam haben wir das gemeistert und er strahlte, als er im Café seine Cola trank. Dann wollte er allerdings nicht mehr in die Klinik zurück. Er hatte Angst vor seiner bevorstehenden Verlegung in eine Pflegeeinrichtung“, so Christiane Mekhchoun. Um ihn zu beruhigen, schauten sie sich gemeinsam Fotos von der Einrichtung an. „Das war eine Begegnung, die mir naheging.“ Sie informierte den Sozialdienst, der dann die Verlegung organisierte. „Es ist manchmal notwendig, den Sozialdienst oder die Seelsorger einzuschalten, wenn wir nicht mehr weiterkommen.“ Das kennt Reinhard Jerchiow auch: Er habe einiges von der ungarischen Patientin gelernt, sagt der Ehrenamtliche. Wie sie mit ihrem Schicksal umgehe, voller Lebensmut sei und positiv in die Zukunft schaue, das beeindrucke ihn. Für Jerichow und Mekhchoun ist die Arbeit erfüllend. Oft bekommen sie Dank und Wertschätzung von den Patienten zurück.
Die Arbeit der Ehrenamtlichen endet mit der Entlassung der Patienten. Oft haben sie dann viel über deren Leben erfahren, mit ihnen über ihre Sorgen gesprochen und manchmal praktische Hilfestellungen gegeben. Wie bei dem Patienten von Station 3c. Seine Wäsche ist gewaschen, Ersatzkleidung hat ihm Reinhard Jerichow auf die Station gebracht. Dann ist Feierabend. Reinhard Jerichow ist zufrieden mit dem, was er heute geleistet hat, und radelt beschwingt über den Campus nach Hause.
Text: Anja Brandt
Fotos: Claudia Ketels