Ausgefragt?! – Priv.-Doz. Dr. Pötter-Nerger zur chronischen Nervenerkrankung Parkinson


Interview mit Priv.-Doz. Dr. Pötter-Nerger

Forschung: AG Bewegungsstörungen und THS

Parkinson Spezialambulanz



Die Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) ist zertifizierte Fachklinik für die Behandlung einer der häufigsten chronischen Erkrankungen des Nervensystems: Parkinson. Eine neurodegenerative Erkrankung, die mit typischen Symptomen wie Bewegungsstörungen, steife Muskeln, eingeschränkte Mimik, Zittern sowie Gleichgewichtsproblemen und Schluckbeschwerden einhergeht. Allein in Deutschland leiden nach Schätzungen rund 400.000 Betroffene daran. Priv.-Doz. Dr. Monika Pötter-Nerger, Leiterin der Arbeitsgruppe Bewegungsstörungen und Tiefe Hirnstimulation, Klinik und Poliklinik für Neurologie, erklärt wie die Parkinsonbehandlung aussieht, warum Tanzen ein fester Bestandteil der Therapie sein sollte und woran die Forschung in dem Bereich arbeitet.

  • Mein Name ist Monika Pötter-Nerger, ich bin Oberärztin an der Klinik für Neurologie am UKE und Leiterin der Arbeitsgruppe Bewegungsstörungen und tiefe Hirnstimulation und beschäftige mich vor allem mit Morbus Parkinson.

    Was ist Parkinson?

    Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung; Das bedeutet, dass eine vorzeitige Zellalterung in bestimmten Arealen des Gehirns stattfindet. Parkinson ist ein Überbegriff für verschiedene Erkrankungen, die bekannteste ist der Morbus Parkinson. All diesen Parkinsonsyndromen gemeinsam ist, dass eine Bewegungsarmut, eine Akinese vorliegt, die begleitet sein kann von Zittern, Muskelsteifigkeit oder Gleichgewichtsstörungen. Allen Parkinsonsyndromen ist darüber hinaus gemeinsam, dass im Vordergrund der Verlust eines Botenstoffes im Gehirn, dem Dopamin, liegt.

    Wie äußert sich die Erkrankung?

    Parkinsonsymptome können sich unterschiedlich manifestieren. Manche Patienten berichten, dass sie Rückenschmerzen entwickeln, die anders nicht erklärbar waren. Andere Patienten berichten von Zittern in einer Hand und wieder andere Patienten berichten von dieser Bewegungsarmut, von der Akinese, die sich in unterschiedlichen Körperteilen unterschiedlich zeigen kann. Die Akinese kann sich im Bereich der Beine als kleinschrittiges, langsames, schlurfendes Gangbild zeigen. Die Akinese, die Bewegungsarmut, kann sich in den Händen zeigen, sodass bestimmte Tätigkeiten im Alltag, wie z.B. Knöpfe zuknöpfen, nicht mehr gut funktionieren. Oder aber auch im Bereich des Gesichtes, dass die Mimik abnimmt.

    Wer hat ein erhöhtes Risiko, an Parkinson zu erkranken?

    Der wichtigste Risikofaktor für die Parkinsonerkrankung ist das Lebensalter. Ältere Menschen erkranken häufiger an Parkinson. Das übliche Erkrankungsalter liegt zwischen 60 bis 70 Jahren. Es gibt weniger Parkinsonpatienten, die früher an Parkinson erkranken. Bei solchen Patienten kann eine genetische Prädisposition vorhanden sein – insgesamt ist diese Gruppe aber kleiner, sie macht nur 10 bis 15% aller Fälle aus. Es gibt weitere Risikofaktoren, die derzeit diskutiert werden, z.B. die Exposition zu Pestiziden; hier muss man aber Langzeitergebnisse abwarten.

    Wie wird Parkinson diagnostiziert?

    Die Diagnose erfolgt im ersten Schritt durch die klinischen Symptome, die Beschreibung und Erfassung. Es gibt noch apparative Zusatzdiagnostik, die angewendet werden kann. Eine davon ist das sogenannte DaTSCAN, ein nuklearmedizinisches Verfahren, was den Dopamin-Stoffwechsel im Gehirn darstellt.

    Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

    Die Therapie sollte an das Parkinsonstadium angepasst werden. Beim frühen Morbus Parkinson steht im Vordergrund das Ersetzen des Mangels von dem Botenstoff Dopamin. Da gibt es eine Vielzahl und Bandbreite an medikamentösen Optionen. Im fortgeschrittenen Stadium beschäftigt man sich vor allen Dingen mit Komplikationen, die auch durch die Therapie selber entstehen können. So gibt es sognannte Wirkfluktuationen, die im Verkauf auftreten können, wo der Patient zwischen guter und schlechter Beweglichkeit hin und her pendelt. Hier kommen Therapieverfahren wie z.B. die tiefe Hirnstimulation oder Pumpen zum Einsatz. Ein weites Feld bei der Therapie nehmen sogenannte nichtmotorische Symptome ein, denn man hat gelernt, dass der Parkinson nicht nur eine Störung der Bewegung ist, sondern auch Symptome wie Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen, Schmerz eine Rolle spielen können. Die können therapeutisch angegangen werden.

    Was bewirkt die tiefe Hirnstimulation?

    Die tiefe Hirnstimulation ist ein Verfahren, was sich innerhalb von 30 Jahren zu einem wichtigen Bestandteil in der Therapie entwickelt hat. Die tiefe Hirnstimulation erfolgt über zwei hauchdünne Elektroden, die in bestimmte tiefliegende Gehirnareale eingesetzt werden. Zu diesen tiefliegenden Kernen zählt z.B. der Nucleus subthalamicus. Hier weiß man, dass die tiefe Hirnstimulation sowohl die Beweglichkeit verbessern kann, das Zittern, das Gangbild und dass die Medikamente von den Parkinsonpatienten um etwa 50% reduziert werden kann.

    Warum ist Bewegung ein wichtiger Bestandteil in der Therapie?

    Die Wichtigkeit von der Bewegungstherapie wurde erst in den letzten Jahren deutlich. Er gibt derzeit verschiedene Studien, die untersuchen, ob eine Bewegungstherapie auch den Verlauf der Erkrankung bremsen kann. Die Bewegungstherapie führt zur Verbesserung der allgemeinen Beweglichkeit, zur besseren Bewegungskoordination, zur besseren Balance.

    Zu der Bewegungstherapie zählt die Tanztherapie. Was bewirkt sie?

    Durch die Tanztherapie können verschiedene Aspekte der Parkinsonerkrankung verbessert werden. Zum einen hat sich gezeigt, dass Gleichgewicht und Balance durch die Tanztherapie verbessert wird. Auch Aufmerksamkeit kann verbessert werden durch die Tanztherapie. Darüber hinaus hat man beobachtet, dass die Stimmung sich hebt mit der Tanztherapie, dass depressive Episoden weniger werden. Insgesamt weiß man, dass die Tanztherapie die Lebensqualität der Parkinsonpatienten günstig beeinflussen kann.

    Welche Fortschritte gab es in den letzten Jahren in der Parkinsonforschung?

    Ein Großteil von Studien fokussiert sich auf das Bremsen der Erkrankung, auf eine sogenannte Verlaufsmodifikation der Erkrankung. Hier gibt es sehr viele Studien, die allerdings noch nicht im klinischen Bereich angekommen sind, z.B. das Impfen gegen Parkinson. Hier muss man abwarten, was die Zeit bringt. Was klinisch anwendbar sein wird, sind verschiedene Formen oder Applikationsformen von dem Medikament Levodopa, um diesen Dopaminmangel zu ersetzen. Hier gibt es Injektionen in die Haut oder eine Zahnspange, die Levodopa abgeben kann oder speziell gefaltete Pillen, die sehr, sehr langsam den Wirkstoff abgeben können. Hier ist Vieles zu erwarten. Von besonderem Interesse sind die Forschungstätigkeiten im Bereich der tiefen Hirnstimulation, denn hier gibt es eine Vielzahl von technischen Neuerungen. Man kann durch bestimmte Elektrodenkonfigurationen Stromfelder besser anpassen, um weniger Nebenwirkungen hervorzurufen. Es gibt die Möglichkeit, gleichzeitig dem Nervengeräusch zuzuhören und nur bedarfsweise die Stimulation anzuschalten, sogenannte Closed-Loop-Stimulation. Hier bleibt abzuwarten, was den Weg in die klinische Routine finden wird.

    Haben Sie noch eine Botschaft für uns?

    Wir freuen uns, als erste Universität als Parkinson-Fachklinik zertifiziert worden zu sein. Wir wollen damit zeigen, dass Parkinson für uns eine wichtige Erkrankung ist, um die wir uns kümmern wollen - und zwar nicht nur um die akute Diagnostik, sondern auch um die chronische Therapie!

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