Mein Name ist Bernd Löwe, ich bin Internist, Psychosomatiker und Psychotherapeut. Ich leite hier am UKE die Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und bin Geschäftsführender Direktor am Institut für Psychotherapie.

Herr Prof. Löwe, was bedeutet „psychisch gesund“?

Die Weltgesundheitsorganisation definiert psychische Gesundheit als einen Zustand des Wohlbefindens, in dem Menschen ihre Fähigkeiten nutzen können, die Lebensbelastung bewältigen können, produktiv arbeiten können und einen Beitrag zur Gemeinschaft leisten können.

Welche Rolle spielt die Arbeit für die psychische Gesundheit?

Die Arbeit spielt eine enorm wichtige Rolle für die Gesundheit – natürlich auch im positiven Sinne: Über Arbeit bekommen wir zum Beispiel positive Rückmeldungen, wir können produktiv sein, wir haben Kontakt mit anderen und wir finden einen Sinn. Umgekehrt können aber auch belastende Arbeitsbedingungen langfristig zu Burn-out, Depressionen, Angst, Körperbeschwerden und psychosomatischen Beschwerden führen.

Welche Auswirkungen haben psychische Belastungen auf unseren Körper?

Unser Körper reagiert sehr intensiv und kurzfristig auf Belastungen, zum Beispiel durch Hormonausschüttungen, aber auch durch Herz-Kreislaufveränderungen, schnelleren Herzschlag. Auch das gastrointestinale System reagiert. Das ist aber kurzfristig überhaupt kein Problem, weil unser Körper darauf ausgerichtet ist, mit diesen Belastungen umzugehen. Nur wenn diese Belastungen sehr lange anhalten und wenige Bewältigungsmöglichkeiten vorliegen, dann kann es zu anhaltenden Beschwerden kommen.

Kann Stress krank machen?

Zunächst ist wichtig, dass Stress nicht immer negativ ist. Gerade auch, wenn wir unter Stress Leistungen erbringen und hinterher zufrieden mit uns sind, dann ist das nicht negativ für unseren Körper. Nur wenn Stress sehr lange anhält und auch wenn noch andere Risikofaktoren dazukommen, dann kann dies auch zu anhaltenden Körperbeschwerden führen.

Was hält uns psychisch gesund?

Im Prinzip können wir eine ganze Menge tun: Wichtig sind Resilienz fördernde Faktoren, also das heißt Entspannung, Bewegung, Selbstfürsorge, Dinge tun, die uns guttun. Dazu zählen zum Beispiel auch soziale Kontakte, Gespräche mit wichtigen Anderen führen, Zeitpläne zur Bewältigung von Dingen können helfen und Strukturen. Und schließlich ist es wichtig, dass wir auch einen Sinn in unseren Tätigkeiten finden oder uns eben einen Sinn geben.

Was können Führungskräfte für ihre Mitarbeitenden tun?

Vorgesetzte können eine ganze Menge tun. Das Wichtigste ist vielleicht, Gespräche anzubieten, eine Offenheit signalisieren für Themen und auch Probleme von Mitarbeitenden, ein positives Betriebsklima schaffen, Aufgaben stellen, die realistisch und bewältigbar sind und auch Respekt und Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden ausdrücken.

Reden wir offen genug über das Thema psychische Gesundheit am Arbeitsplatz?

Ich hoffe, dass wir an vielen Stellen offen über das Thema sprechen. Wichtig ist aber natürlich auch, dass Mitarbeitende die Wahl haben, ob sie die Belastungen am Arbeitsplatz oder außerhalb ansprechen. Wichtig ist nur, dass sie, wenn Belastungen vorhanden sind, dafür sich Unterstützung und Hilfe suchen.

Haben Sie noch einen Ratschlag für uns?

Wichtig ist es, die Bauchgefühle, die innere Stimme wahrzunehmen, Emotionen, Gefühle ernst zu nehmen, für einen Ausgleich zu sorgen, das kann zum Beispiel Sport oder Bewegung sein, und mit wichtigen Anderen zu sprechen, wenn Probleme oder Beschwerden oder Belastungen vorliegen.