EGFR in Glioblastomen

Mehr als 60% aller Glioblastome haben eine Überexpression des Epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors (EGFR), deren Ursache meist eine Amplifikation des EGFR Gens ist (> 40% aller Glioblastome). Zusätzlich findet sich in ca. der Hälfte der Glioblastome mit EGFR Amplifikation eine Deletion der Exons (2-7), welche zur Expression einer extrazellär trunkierten Rezeptorvariante, EGFRvIII, führt. EGFRvIII kann keinen der EGFR-Liganden binden, ist jedoch konstitutiv aktiv. Sowohl die Aktivierung des amplifizierten Wildtyp-EGFR als auch die konstitutiv aktive EGFRvIII Variante tragen massgeblich zu der hohen Proliferations- und Invasionskapazität von Glioblastomzellen bei. Daher werden diese Moleküle intensiv in klinischen Studien als spezifische therapeutische Angriffspunkte exploriert. Bisherige klinische Studien zeigen allerdings nur eine geringe Wirksamkeit von EGFR-Tyrosinkinaseinhibitoren wie Erlotinib (Tarceva®) und Gefitinib (Iressa®) sowie monklonalen anti-EGFR Antikörpern wie Cetuximab (Erbitux®) oder Nimotuzumab (TheraCim®). Möglicherweise profitiert eine Subgruppe von Patienten von der Behandlung, ähnlich wie für Bronchialkarzinompatienten mit Mutation in der EGFR Tyrosinkinasedomäne bekannt, allerdings wurden bei Glioblastomen bislang noch keine molekularen Marker für ein therapeutisches Ansprechen identifiziert. Vielversprechend ist derzeit eine Vakzinierungsstrategie gegen den EGFRvIII, bei der es zu einer deutlichen Verlängerung des Überlebens von Glioblastompatienten kommt. Allerdings entwickeln auch diese Patienten letztlich unweigerlich eine Resistenz gegen diese Therpie. Ein Hauptproblem der Therapie ist, dass innerhalb von EGFRvIII-positiven Tumoren immer nur ein Teil der Tumorzellen diese Alteration aufweist, andere Tumorzellen haben entweder eine Wildtyp-EGFR Amplifikation oder gar keine EGFR Alteration (intratumorale Heterogenität). Daher werden durch Vakzinierung gegen den EGFRvIII zwar die EGFRvIII-positiven Zellen eleminiert, es verbleiben jedoch EGFRvIII-negative Glioblastomzellen, die dann später ein Tumorrezidiv bilden. In eigenen Arbeiten zur Evaluation von EGFR/EGFRvIII als therapeutisches Target fanden wir, dass Cetuximab in einem hochinvasiven Glioblastomxenograftmodell nur dann wirksam war, wenn das ursprüngliche Glioblastom sowie der daraus gebildete Xenografttumor in Mäusen eine high-level EGFR Amplifikation und Expression des EGFRvIII aufwiesen(1). Darüberhinaus zeigte sich, dass eine Behandlung mit Cetuximab eine verstärkte Tumorzellinvasion, die bei anti-Angiogenesetherapie in Glioblastommodellen typischerweise zu beobachten ist, inhibieren kann und dass der EGFR-Ligand TGFα ein starker migrationsstimulierender Faktor für Glioblastomzellen ist(2,3,4). Ein generelles Problem der EGFR-Forschung an Glioblastomen ist, dass sowohl die EGFR Genamplifikation als auch die Expression der EGFRvIII Variante bei Etablierung von Zelllinien in vitro fast immer verloren gehen. Als Ursache hierfür wird ein Selektionsnachteil für Tumorzellen mit EGFR Amplifikation bzw. EGFRvIII in vitro angenommen, denn beide Alterationen bleiben bei sofortiger Xenotransplantation der Tumorzellen in Mäuse erhalten und verstärken sich sogar oft noch. Auch in unserem hochinvasiven, zur Testung der Wirkung von Cetuximab verwendeten Xenograftmodell bleiben die EGFR Amplifikation und EGFRvIII Expression des Tumors erhalten, da die Zellen vor Implantation nur für wenige Tage in vitro kultiviert werden1. Dieses Modell ist allerdings experimentell sehr aufwendig, da es stets auf frisch reseziertes Patientengewebe angewiesen ist und die Beobachtungszeiträume in vivo sehr variabel und lang sein können. Glioblastomzellen, die unter neuralen Stammzellbedingungen kultiviert werden, behalten den genomischen und transkriptionellen Phänotyp des Ursprugstumors stabiler bei als Glioblastomzellen, die adhärent mit Serum kultiviert werden(5). ( vgl. auch Webseite zu Glioblastomstammzellen ) Allerdings gilt dies nicht für die EGFR Amplifikation und EGFRvIII Expression, die auch unter diesen Bedingungen in der Regel in vitro verloren gehen. Da einige Publikationen darauf hindeuten, dass der Ligand EGF auf Tumorzellen mit high-level EGFR Amplifikation wachstumsinhibierend wirken kann, untersuchten wir, ob die Anwesenheit von EGF im Kulturmedium einen negativen Selektionsdruck auf Zellen mit EGFR Amplifikation ausübt. Hierzu wurde bei Inkulturnahme von Glioblastomen die Konzentration von EGF im Kulturmedium reduziert und es zeigte sich, dass einige Glioblastomstammzellkulturen auch ohne EGF überlebten und die Anwesenheit von EGF im Medium einen negativen Einfluss auf den EGFR Amplifikationslevel hat(6,7). Durch diese Modifikation der Zellkulturbedingungen ließen sich isogene Paare von Zelllinien aus einzelnen Glioblastomen generieren, von denen jeweils eine der Zelllinien die (im Tumor vorhandene) Amplifikation des EGFR beibehalten hat, wohingegen diese in der anderen Zelllinie fehlt(6). Darüberhinaus gelang es, Zelllinien zu generieren, die die Expression des EGFRvIII beibehalten haben. Diese Paare von Zelllinein ermöglichen vergleichende Analysen zum Ansprechen von Glioblastomzellen mit unterschiedlichem EGFR Status auf Chemo- und Strahlentherapie sowie auf speziell gegen den EGFR gerichtete Tyrosinkinaseinhibitoren oder Antikörper. Eine außergewöhnliche Glioblastomzelllinie, die trotz Standardkulturbedingungen (Serum, adhärent) sowohl eine Amplifkation des EGFR Gens als auch Expression von EGFRvIII beibehalten hat und zudem tumorigen im Hirn immunkomprimierter Mäuse ist, ist die Zelllinie BS153. An dieser Zelllinie untersuchten wir Resistenzmechanismen gegen die EGFR-Tyrosinkinaseinhibitoren Erlotinib und Gefitinib. BS153 Zellen wurden durch Gefitinib hocheffizient an ihrem Wachstum gehindert und starben schließlich ab, wohingegen die Behandlung mit Gefitinib von einer Subpopulation resistenter Zellen überlebt wurde, und diese schließlich mit nahezu unverminderter Geschwindigkeit weiterproliferierten. In dieser resistenten Subzelllinie (BS153resE) fand sich eine starke Heraufregulation des EGFRvIII sowie eine hohe Aktivierung des Phosphatidylinositol-3-OH Kinase (PI3K) Signalwegs insbesondere mit einer stark erhöhten Expression der regulatorischen 110-kDa delta Untereinheit der PI3K (PI3Kp110δ)8. Eine Antagonisierung der Expression bzw. der Aktivierung von EGFRvIII, PI3K oder PI3Kp110δ durch shRNA knockdown bzw. Inhibitoren bewirkte eine Resensitivierung der BS153resE Zellen gegenüber Erlotinib. Demzufolge trägt offenbar die Heraufregulation von EGFRvIII sowie die verstärkte Aktivierung des PI3K Signalwegs mit hoher Expression von PI3Kp110δ maßgeblich zur Erlotinib-Resistenz der BS153 Zellen bei, so dass eine Antagonisierung dieses Signalweges kombiniert mit Erlotinib therapeutisch sinnvoll sein könnte8. Auch die Modifikation von Chromatin durch Acetylierung von Histonen trägt dazu bei, die Expression des EGFR zu regulieren. Histon Deacetylase (HDAC) Inhibitoren können die Transkription hochamplifizierter Gene, wie EGFR, unterdrücken. Wir untersuchten daher den Effekt einer kombinierten Behandlung von BS153 Zellen und anderen Glioblastomzelllinien mit Erlotinib und verschiedenen HDAC Inhibitoren. HDAC Inhibitoren konnten die Erlotinibresistenz EGFR-amplifizierter Glioblastomzelllinien überwinden, und die kombinierte Therapie war beiden Einzeltherapien überlegen(9).

Literatur

1. Martens T1, Laabs Y, Günther HS, Kemming D, Zhu Z, Witte L, Hagel C, Westphal M, Lamszus K: Inhibition of glioblastoma growth in a highly invasive nude mouse model can be achieved by targeting epidermal growth factor receptor but not vascular endothelial growth factor receptor-2. Clin Cancer Res. 2008;14(17):5447-58.

2. Kunkel P, Ulbricht U, Bohlen P, Brockmann MA, Fillbrandt R, Stavrou D, Westphal M, Lamszus K: Inhibition of glioma angiogenesis and growth in vivo by systemic treatment with a monoclonal antibody against vascular endothelial growth factor receptor-2. Cancer Res. 2001;61(18):6624-8.

3. Lamszus K, Brockmann MA, Eckerich C, Bohlen P, May C, Mangold U, Fillbrandt R, Westphal M: Inhibition of glioblastoma angiogenesis and invasion by combined treatments directed against vascular endothelial growth factor receptor-2, epidermal growth factor receptor, and vascular endothelial-cadherin. Clin Cancer Res. 2005;11(13):4934-40.

4. Brockmann MA, Ulbricht U, Grüner K, Fillbrandt R, Westphal M, Lamszus K: Glioblastoma and cerebral microvascular endothelial cell migration in response to tumor-associated growth factors. Neurosurgery. 2003;52(6):1391-9:

5. Schulte A, Gunther HS, Phillips HS, Kemming D, Martens T, Kharbanda S, Soriano RH, Modrusan Z, Zapf S, Westphal M, Lamszus K: A distinct subset of glioma cell lines with stem cell-like properties reflects the transcriptional phenotype of glioblastomas and overexpresses CXCR4 as therapeutic target. Glia 2011;59(4):590–602.

6. Schulte A, Günther HS, Martens T, Zapf S, Riethdorf S, Wülfing C, Stoupiec M, Westphal M, Lamszus K: Glioblastoma stem-like cell lines with either maintenance or loss of high-level EGFR amplification, generated via modulation of ligand concentration. Clin Cancer Res. 2012; 18(7):1901-13.

7. Liffers K, Lamszus K, Schulte A: EGFR Amplification and Glioblastoma Stem-Like Cells. Stem Cells Int. 2015:427518. (Epub 2015 Jun 2)

8. Schulte A, Liffers K, Kathagen A, Riethdorf S, Zapf S, Merlo A, Kolbe K, Westphal M, Lamszus K: Erlotinib resistance in EGFR-amplified glioblastoma cells is associated with upregulation of EGFRvIII and PI3Kp110δ. Neuro Oncol. 2013;15(10):1289-301.

9. Liffers K, Kolbe K, Westphal M, Lamszus K, Schulte A: Histone Deacetylase Inhibitors Resensitize EGFR/EGFRvIII-Overexpressing, Erlotinib-Resistant Glioblastoma Cells to Tyrosine Kinase Inhibition. Target Oncol. 2015 Jun 3. (Epub ahead of print)