Pandemie. Rückblicke in die Gegenwart
Pandemie. Rückblicke in die Gegenwart
Die aktuelle Veranstaltungsreihe zur Ausstellung finden Sie hier!
„Wann ist es vorbei?“ war zu Beginn des ersten Lockdown eine oft gestellte Frage. Mit ihr verband sich das Vertrauen, die moderne Medizin werde die globale Corona-Krise in den Griff bekommen. Kinder hängten im März 2020 bunte Regenbogenbilder in die Fenster. Seit er über Noahs Arche das Ende der Sintflut ankündigte, ist der Regenbogen das Symbol des guten Ausgangs verheerender Katastrophen. Die Überlebenden von Pest und Hungersnöten prägten ihn auf Erinnerungsmedaillen. Kaum eine Seuche ist gleich zu Ihrem Beginn so betrachtet worden, als sei ihr baldiges Ende abzusehen.
Das Medizinhistorische Museum Hamburg stellt die aktuellen Maßnahmen und Konzepte, die erfolgreichen und die weniger klugen, in den Kontext ihrer Geschichte. Denn auch bei Pest, Cholera und Spanischer Grippe bemühten sich Menschen, von der vorangegangenen Pandemien zu lernen.
Der Rundgang beginnt im Vorraum des alten Eppendorfer Sektionssaals. Dort hängen die Handwaschbecken der Pathologie. Ein noch gesunder Boris Johnson grüßt mit den Worten: „I continue shaking hands!“ Gezeigt wird der Siegeszug der Hygiene, der erst die Medizin und ab 1900 zunehmend den Alltag erfasste. Formalin gab es als Desinfektionsmittel, Bodenreiniger und Lutschtablette mit Pfefferminzgeschmack. Antisepsis bannte die tödlichen Infektionen nach chirurgischen Eingriffen.
Der kleine Hörsaal nebenan präsentiert exemplarisch die Corona-Forschung der vergangenen 18 Monate: Marylyn Addo berichtet in einer Videovorlesung über die Fortschritte der Infektiologie. Ein Wandgemälde zeigt die Ausbreitung der Virusvarianten. Und die Modelle der über die ganze Welt vernetzen Coronavirus Structural Task Force der Hamburger Strukturbiologin Andrea Thorn erklären den Lebenszyklus des Coronavirus. Dabei wird deutlich, auch die wissenschaftliche Virologie stützt sich auf Modellvorstellungen. Naturwissenschaftliche Erkenntnis ist ein dynamischer Prozess, kein statisches Wissen.
Der große Eppendorfer Sektionssaal ist zugleich Ausstellungsraum und Exponat. Hier befand sich 1918 – die Pathologie war noch nicht eingezogen – ein Notlazarett für Grippekranke.
Pest, Cholera und Spanische Grippe lieferten die historischen Erkenntnisrahmen für die jeweils folgenden Pandemien. Der 2017 zuletzt aktualisierte Pandemieplan des Robert Koch-Instituts rekurriert auf Statistiken aus dem Jahr 1918, um die Auswirkungen von Schulschließungen und Maskenpflicht abzuschätzen.
Als die Pest in Nordeuropa wütete hielt Hamburg gegen die eindringlichen Bitten seines Umlands den Hafen geöffnet. Altona und Lüneburg legten daraufhin Militärsperren um die Stadt. Im Pestjahr 1713 starb ein Fünftel der Hamburger Bevölkerung, offizielle Choniken beruhigten, „dieses Sterben [habe] meistentheils nur geringe Leute betroffen.“
Social Media gab es noch nicht, als die Cholera 1831 erstmals durch Europa zog. Die neuen Medien der Zeit waren Flugschriften. Knapp die Hälfte der Bevölkerung konnte lesen. Fast jede Buchhandlung unterheilt einen eigenen Verlag. Innerhalb weniger Wochen erschienen an die tausend Choleraschriften mit Ratschlägen von Ärzten und Laien. Die Ausstellung zeigt fünf der elf Choleraschriften des Homöopathie-Begründers Samuel Hahnemann.
Auch Irrwege haben Kontinuität. Als Donald Trump Hydroxychloroquin als Covid-Arznei verordnete, setzte er alte Traditionen fort: Chinin war schon gegen Cholera und Grippe vehement empfohlen worden. Karikaturen aus dem 19. Jahrhundert belegen: Impfgegner und Verschwörungstheorien gab es schon vor 200 Jahren.
Der aktuelle Teil der Ausstellung stellt Therapie, Diagnose und Alltag in den Mittelpunkt. Eine Eiserne Lunge aus dem Klinikum Stade steht einem heutigen ECMO Filter gegenüber. Beide markierten zu ihrer Zeit das technisch maximal mögliche, und beide symbolisierten die Gefahr knapper Ressourcen.
Am Ausgang stehen hunderte leere Pfizer-BionTech-Ampullen neben den Klappmessern der Impfärzte von 1807, als erstmals in Deutschland eine Impfpflicht eingeführt wurde. Die Pocken waren so ansteckend, dass jeder sie bekam. 20 Prozent der Kinder starben daran. Ihre 180 Jahre lange Bekämpfung durch die Vakzination (der Begriff kommt von dem lateinischen Wort vacca = Kuh) mit Kuhpockenserum ist das leuchtende Beispiel für das Ende einer Seuche.
Parallel findet eine Ausstellung mit Zeichnungen von Axel Scheffler statt. Er gestaltete ein Kinderbuch über Corona, das in mehr als 60 Sprachen übersetzt worden ist. Im November kommt der Künstler und zeichnet mit Kindern.
Alle Infos finden Sie auch im Faltblatt zur Ausstellung!
Öffnungszeiten:
Mittwoch, Samstag und Sonntag von 13 bis 18 Uhr.