Die Mitgift der Schwangerschaft

Mit dem Abnabeln ist es nicht vorbei: Eine Schwangerschaft hinterlässt dauerhaft Spuren – sowohl bei der Mutter als auch beim Kind. Wie sich das biologische Phänomen „Schwangerschaft“ auf das Immunsystem auswirkt und vielleicht für mögliche neuartige Therapien nutzen lässt, will in den kommenden Jahren eine neue klinische Forschergruppe im UKE untersuchen.


„Wir beschäftigen uns nicht mit Schwangerschaftskomplikationen. Wir wollen grundsätzlich verstehen, wie sich Mutter und Kind medizinisch an eine Schwangerschaft anpassen“, erklärt Prof. Dr. Petra Arck von der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin des UKE. Dort leitet die Wissenschaftlerin eine neue klinische Forschergruppe, die mit vollem Namen „Feto-maternal Immune Cross Talk: Consequences for Maternal and Offspring’s Health” heißt. Der Name enthält die Kernfrage des auf drei Jahre angelegten Forschungsvorhabens: Wie beeinflussen sich die Immunsysteme von Mutter und Kind und welche Folgen hat das für die Gesundheit der beiden?


Geschwächtes Immunsystem

„Um das Kind, das zur Hälfte väterliche Gene hat, nicht als Fremdkörper abzustoßen, verändert sich zum Beispiel während der Schwangerschaft das Immunsystem einer Frau: Es wird schwächer“, so die Wissenschaftlerin. Das hat Vor- und Nachteile: Schwangere sind anfälliger für Infektionen, haben schwerere Krankheitsverläufe und sterben auch häufiger an Grippe als nicht schwangere Frauen. Frauen mit Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoider Arthritis oder Multipler Sklerose (MS), bei denen das Immunsystem dauerhaft alarmiert ist, profitieren dagegen: „Es gibt kein Medikament, das so wirksam wie eine Schwangerschaft die Krankheitsschübe bei MS verhindern kann“, sagt Petra Arck. „Wenn wir die immunologischen Vorgänge verstehen, können wir vielleicht eines Tages eine Schwangerschaft simulieren und das Fortschreiten der Krankheit verhindern.“


Prägende Pränatalphase

Auch der Körper des Kindes wird durch die Monate im Bauch der Mutter geprägt: Eine Vielzahl von Studien konnte der Forscherin zufolge zeigen, dass externe Umweltfaktoren und mütterlicher Lebensstil während der Schwangerschaft auch die „Umweltbedingungen“ für das Kind in der Gebärmutter verändern. „Treten diese Einflussgrößen während kritischer fetaler Entwicklungsphasen auf, so können Organe und Organsysteme langfristig in ihrer Funktion verändert werden“, so die Forscherin. Derartige Veränderungen könnten sich positiv, aber auch negativ auf das Erkrankungsrisiko im späteren Leben auswirken. „Man weiß zum Beispiel, dass Infektionen oder eine erhöhte Stressbelastung der Mütter – etwa Angst vor der Herausforderung, ein Kind großzuziehen, oder Sorgen um die berufliche Zukunft – das Immunsystem der Kinder verändern können.“ Diese Kinder hätten im späteren Leben ein höheres Risiko für immunologische Erkrankungen wie Neurodermitis oder Asthma. „Warum das so ist, wollen wir herausfinden.“ Sollte es gelingen, die dahintersteckenden Mechanismen aufzudecken, könnten zukünftig Kinder mit einem erhöhten Risiko für Allergien, Asthma und Autoimmunerkrankungen bereits vor der Geburt erkannt und dann auch präventiv behandelt werden.