Evaluation der Schwerpunktpraxen zur medizinischen Versorgung wohnungsloser Menschen in Hamburg
Carolin van der Leeden, Sigrid Boczor, Thomas Kloppe, Tina Mallon, Anja Rakebrandt,
Artem Semykras, Hanna Kaduszkiewicz*, Martin Scherer
*Institut für Allgemeinmedizin, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Hintergründe und Ziele
Die Einrichtung von Schwerpunktpraxen ( Flyer ) für wohnungslose Menschen in Hamburg durch die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI), die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) sowie Krankenkassen haben zum Ziel, die medizinische Versorgung dieser Bevölkerungsgruppe zu verbessern, die Betroffenen langfristig in die medizinische Regelversorgung zu überführen sowie der Entwicklung von Notfällen vorzubeugen. Die Arbeit von drei Praxen, die im Juni 2013 eingerichtet wurden, wird differenziert nach hausärztlicher und psychiatrischer Versorgung vom Institut und der Poliklinik für Allgemeinmedizin über zwei Jahre evaluiert.
Ziel der Evaluation(-sstudie) ist es, einen Überblick über Beratungsanlässe und -bedarfe und die Gründe, die zur Inanspruchnahme der Schwerpunktpraxen führen sowie Erkenntnisse über die Möglichkeiten, sie in das Regelversorgungssystem zu integrieren, zu erlangen.
Design und Methodik
Die Analyse der geleisteten Arbeit basiert auf der Routine-dokumentation der Praxen, die neben den soziodemographischen und medizinischen Rahmendaten der Patientinnen und Patienten zur Nutzung des Regelversorgungssystems wurden jeweils für die vergangenen sechs Monaten erfasst. Ergänzend wurden die Gründe für das Nicht-Aufsuchen des medizinischen Regelversorgungssystems dokumentiert. Alle an der Versorgung Beteiligten wurden zudem Ende 2013 und 2014 leitfadengestützt qualitativ zu Gründen für Nicht-Inanspruchnahme des Gesundheitswesens interviewt. Die Patientinnen und Patienten wurden mittels Fragebogen befragt.
Vorläufige Ergebnisse und weiteres Vorgehen
Im Erhebungszeitraum wurden insgesamt 1.310 Patient*innen behandelt, davon gaben 840 ihr Einverständnis zur Auswertung der Daten. Im ersten Jahr waren 54% der Patient*innen krankenversichert, im zweiten Jahr waren es nur 27%. Als die wichtigsten Gründe für das „Nicht-Aufsuchen des Regelversorgungssystems“ gaben die Wohnungslosen „fehlende Versicherung“, gefolgt von „finanziellen Gründen“ (Medikamentenzuzahlung etc.) und „Scham“ an. Die häufigsten Diagnosen waren psychische Verhaltensstörung durch Alkohol, akute Atemwegsinfektionen, essentielle (primäre) Hypertonie und Diabetes mellitus Typ 2.
Basierend auf den Ergebnissen werden die Behörde (BASFI), die kassenärztliche Vereinigung und die beteiligten Krankenkassen Entscheidungen bezüglich der Verbesserung der medizinischen Versorgung für Wohnungslose und über die Fortführung des Projekts in gleicher oder modifizierter Art treffen. Veröffentlichungen durch die Behörde und durch das UKE in Form von wissenschaftlichen Publikationen sind geplant.
Die Fortführung des Projektes in der Interimsphase wird aktuell vom Institut für Allgemeinmedizin durch eine Begleitevaluation und in Form von Projektunterstützung begleitet.
Förderer: Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration Freie und Hansestadt Hamburg
Laufzeit: seit 2013
Ansprechpartner: Carolin van der Leeden