Erfindergeist für die Sicherheit
Wenn Sven Gerber sich nach seiner Arbeit als Fachkraft für Arbeitssicherheit am UKE mit dem Dienstfahrrad, einem diebstahlresistenten älteren Damenmodell, in Richtung U-Bahn aufmacht, trägt er selbstverständlich Helm – und in diesen Tagen oft auch eine medizinische Partikelfiltermaske. Zum privaten Belastungstest, um die Masken besser beurteilen zu können, wie er sagt.
Diplomchemiker Gerber und seine Teamkolleginnen und -kollegen vom Geschäftsbereich Sicherheit und Umwelt unterstützen und beraten unter anderem bei Bauvorhaben. Da geht es um Raumgrößen, Bewegungs- und Verkehrsflächen, um biologische und chemische Vorgaben bei Laborausstattungen und vieles mehr. Zu den Schwerpunktthemen gehören zudem Gefahrstoffe, biologische Arbeitsstoffe und die persönliche Schutzausrüstung, kurz PSA, sowie Brandschutz, Strahlenschutz, Gentechnik und Zutrittsregelungen. Seit Corona ist das Arbeitspaket deutlich dicker geworden.
Konzepte zur Umsetzung wirksamer Abstands- und Hygieneregeln wurden erstellt – und sollen nun nach Bedarf angepasst werden. „Allmählich bewegen wir uns wieder zurück vom Not- in den Normalbetrieb.“ Risiken müssen abgeschätzt, Gefährdungsbeurteilungen entsprechend deren Risikobewertung erstellt werden. „Unsere Kernfrage lautet: Wie reduzieren wir das Risiko einer Ansteckung für Mitarbeiter, Patienten, Besucher und Studierende auf ein Minimum?“ Welche Vorsichtsmaßnahmen sind beispielswiese bei Öffnung des Lehrbetriebs notwendig, wie können Praktika für Medizinstudenten gestaltet werden, reichen die Abstände in den Büros bei normalem Betrieb? „Wir begleiten den Weg in die Normalität, und gleichzeitig müssen wir auf eine zweite Welle vorbereitet sein“, sagt Gerber.
Detektivischer Spürsinn...
Der 49-Jährige hat sich in Sachen Arbeitssicherheit umfangreich weitergebildet: zum Gefahrgutbeauftragten, Umwelt-Auditor, Qualitätsmanager, zum Betriebsbeauftragten für die Themen Immissionsschutz, Abfall und Gewässerschutz. Gefragt ist in Corona-Zeiten auch sein detektivischer Spürsinn. Seit die Virus-Welle nach Deutschland schwappte und aus China keine Schutzmasken mehr geliefert wurden, unterstützt Sven Gerber den Strategischen Einkauf auf Anfrage bei der Identifizierung von Fakes – durch Überprüfung der Qualitätsnorm-Zertifikate, vielfach aber auch durch sachkundigen Augenschein. „Wir haben zum Beispiel Masken entdeckt, bei denen die Schweißnaht für die Ohrschleifen löchrig war – ein Sicherheitsrisiko.“ Auch Modelle, deren Minderqualität sich erst beim Tragen entpuppte, als die vordere Naht aufplatzte, wurden herausgezogen. Mittlerweile habe sich die Situation deutlich entspannt. „In mehr als 90 Prozent der Fälle kommt das an, was wir bestellt haben.“
Ware mit unklarer Kennzeichnung und ungewisser Qualität testet Sven Gerber ganz subjektiv, wie er betont. Filterleistung kann er nicht ermitteln, wohl aber beim Tragen auf seinem Heimweg nach Farmsen feststellen, ob das Atmen durch die Maske mehr Kraft erfordert als üblich und ob das Modell durch den Atem feucht wird: „Das sind gute Zeichen für eine gewisse Dichtheit des Gewebes.“ Die betroffenen Lieferungen könnten dann bei Bedarf noch einmal von spezialisierten Firmen oder der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin geprüft werden.
...und Erfindergeist
Dass er neben seinen Testqualitäten auch eine gute Portion Erfindergeist besitzt, hat Gerber bereits mehrfach bewiesen, etwa als er zusammen mit Beschaffungsmanagerin Janna Lynn Schröder vom Strategischen Einkauf eine 3-D-gedruckte Halterung für FFP2-Masken entwickelte. Sie verbindet die elastischen Haltebänder, die bei längerem Tragen oft Schmerzen hinter den Ohren verursachen, bequem am Hinterkopf. Außerdem hat Gerber dazu beigetragen, die Halterung des Visier-Spritzschutzes ergonomisch zu optimieren. Und für das Handdesinfektionsmittel Sterillium, das bisher nur in der 500 ml-Abfüllung in die Wandhalterung passte, ersann er zusammen mit Krankenhausapothekenleiter Dr. Michael Baehr eine pfiffige Lösung auch für die 1000 ml-Flasche: Mit zwei Spanngurten wird sie nun sicher gehalten, unter anderem in den Räumen der Geburtsstation.
Wenn Sven Gerber von der U-Bahnstation Farmsen nach Hause radelt, hat er bereits die erste Stufe Stressabbau absolviert. Die Betreuung der Töchter, 13 und 10 Jahre alt, empfindet er in der aktuell weitgehend unterrichtsbefreiten Phase „als eine besondere Herausforderung für berufstätige Eltern – für meine Frau noch mehr als für mich. Aber es klappt recht gut, und die Zeiten werden ja auch allmählich wieder besser.“ Für die zweite Stufe Stressabbau sorgen die Malawi-Buntbarsche, die sich im großen Schauaquarium im Wohnzimmer tummeln. Seit seinem 11. Lebensjahr begeistert sich Gerber für Zierfische. Bei der Reinigung der Glaskästen und ihrer dekorativen Ausstattung komme er auf die besten Ideen, erzählt er. Und wenn er seine prächtigen Buntbarsche beobachtet, ist das für ihn „Entspannung pur.“