Ausgefragt?! – Pride Week: Gesundheitsversorgung für trans und nichtbinäre Menschen


Interview mit Priv.-Doz. Dr. Timo Nieder


Spezialambulanz für Sexuelle Gesundheit und Transgender-Versorgung

Interdisziplinäres Transgender Versorgungsforschung


Die Hamburger Pride Week steht 2023 unter dem Motto „Selbstbestimmung jetzt – verbündet gegen Transfeindlichkeit“. Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) bietet mit der Spezialambulanz für Sexuelle Gesundheit und Transgender-Versorgung sowie dem Interdisziplinären Transgender Versorgungscentrum Hamburg eine verlässliche und bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung für trans und nichtbinäre Menschen in Hamburg an. Priv.-Doz. Dr. Timo Nieder, Leiter der Spezialambulanz für Sexuelle Gesundheit und Transgender-Versorgung am Institut für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie des UKE, wie trans und nichtbinäre Menschen Unterstützung finden können und welche Therapiemöglichkeiten es gibt.

  • Mein Name ist Timo Nieder. Am UKE leite ich die Spezialambulanz für sexuelle Gesundheit und Transgender-Versorgung, die größte Ambulanz mit diesem Schwerpunkt in Deutschland.

    Was bedeutet Trans?

    Trans ist ein Sammelbegriff, der verschiedene geschlechtliche Identitäten oder Selbstverständnisse umfasst. Gemeinsam ist trans und nichtbinären Menschen, dass sie ihr individuelles Geschlecht nicht oder nicht vollständig im Einklang mit dem Geschlecht empfinden, das anhand der körperlichen Geschlechtsmerkmale bei Geburt bestimmt wurde.

    Wo finden trans und nicht binäre Menschen Unterstützung?

    Die Spezialambulanz für sexuelle Gesundheit und Transgender-Versorgung kann eine erste Anlaufstelle sein. Gemeinsam mit zehn weiteren Fachbereichen am UKE haben wir vor zehn Jahren das deutschlandweit erste interdisziplinäre Transgender-Versorgungszentrum gegründet und engagieren uns seitdem für die ganzheitliche Gesundheitsversorgung für trans und nichtbinäre Menschen unter dem Dach des UKE.

    Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

    Übergeordnet geht es für trans und nichtbinäre Menschen häufig um die Frage, wie sie ihr individuelles Geschlecht, so weit, wie es aktuell in dieser Gesellschaft möglich ist, auch tatsächlich selbstbestimmt leben können. Das mag für binäre trans Personen, die sich als Mann oder Frau verstehen, etwas einfacher sein als für nichtbinäre Menschen, die häufig um die Anerkennung ihrer geschlechtlichen Identität in ihrem jeweiligen Umfeld erst kämpfen müssen. Grundsätzlich stehen am UKE alle Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, mit denen körperliche Geschlechtsmerkmale verändert werden können, die für die betreffende Person selbst für ihr Geschlechtserleben oder aber für die Wahrnehmung durch andere eine geschlechtsmarkierende Bedeutung haben.

    Welche körperbezogenen Therapien gibt es?

    Hierzu gehören unter anderem die Behandlung mit Hormonen, die Entfernung von Gesichtsbehaarung sowie verschiedene chirurgische Eingriffe, beispielsweise im Brust oder im Genitalbereich. Auch Hilfsmittel können helfen, um das individuelle Geschlecht selbstbestimmter zu leben. Beispielsweise ein Brustbinder zum Abbinden der Brust- oder auch eine Penis-Hoden-Epithese.

    Wie kann eine Psychotherapie helfen?

    Psychotherapie kann trans und nichtbinären Menschen helfen, genauso wie sie allen Menschen helfen kann. Spezifisch wirksam kann sie sein, wenn sie sich unterstützend mit Diskriminierungserfahrungen auseinandersetzt, die trans und nichtbinäre Menschen in dieser binären, das heißt zweigeschlechtlichen Gesellschaft, erleben. Dies ist insofern von besonderer Bedeutung, als dass sich wiederkehrende Diskriminierungserfahrungen spürbar nachteilig auf die körperliche und psychische Gesundheit der betreffenden Menschen auswirken können. Darüber hinaus kann es in der Psychotherapie um die Frage gehen, wie ich mein Geschlecht gut und selbstbestimmt leben kann und damit auch darum, welche körperlichen Veränderungen ich dafür brauche.

    Was sind die Voraussetzungen für die Behandlungen?

    Die meisten Behandlungen zur Veränderung der körperlichen Geschlechtsmerkmale haben uns unwiderrufliche Folgen, das heißt, die betreffenden Menschen sollten sich sorgfältig vorher mit den zu erwartenden Ergebnissen auseinandersetzen und sich auch klar darüber sein, welche Bedeutung der jeweilige Eingriff auf das geschlechtliche Leben haben wird.

    Gibt es Risiken?

    Zum einen gibt es die allgemeinen Risiken, die mit jeder Hormonbehandlung und mit jedem chirurgischen Eingriff einhergehen können. Zum anderen gibt es durchaus spezifische Risiken, insofern, dass es sein kann, dass trans und nichtbinäre Menschen ihre Entscheidungen für eine jeweilige Behandlung zu einem späteren Zeitpunkt in ihrem Leben nicht mehr so treffen würden. Auch für diese Menschen bieten wir am UKE ein Behandlungsangebot an.

    Haben Sie noch eine Botschaft für uns?

    „Selbstbestimmung jetzt – verbündet gegen Transfeindlichkeit“ – dies ist nicht nur das Motto der diesjährigen Pride Week, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir vom UKE wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass trans und nichtbinäre Menschen eine verlässliche und bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung in Hamburg erhalten können.