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Den Tumor hörbar machen

Ruhig lässt der Chirurg die Gammasonde über das Operationsfeld gleiten. An einer Stelle fängt sie plötzlich lautstark an zu vibrieren. Enttarnt! Genau hier sitzt die Metastase eines Prostatakarzinoms.

Text: Nicole Sénégas-Wulf, Fotos: Axel Kirchhof

DIE VISION: LANGZEITÜBERLEBEN FÜR ALLE PROSTATAKREBSPATIENTEN VERLÄNGERN

Wissen: Prostatakrebszellen tragen auf ihrer Oberfläche ein spezifisches Antigen

Forschen: Auch kleinste Metastasen bei Rückfällen sichtbar machen

Heilen: Befallenes Gewebe punktgenau entfernen und Folgetherapien vermeiden

Die Schwierigkeit bei Rückfällen nach einer Prostatakrebserkrankung ist, herauszufinden, wo genau sich die Krebszellen im Körper aufhalten. „Unser Ziel ist es, befallenes Gewebe jederzeit sicher zu entfernen“, erklärt Prof. Dr. Tobias Maurer, Ärztlicher Leiter der Martini-Klinik des UKE. Wird Prostatakrebs frühzeitig entdeckt und behandelt, stehen die Heilungschancen zwar sehr gut, doch erkranken drei von zehn Patienten Monate, teils auch Jahre nach ihrer Therapie erneut. Regelmäßige Kontrollen des PSA-Werts, der beim Prostatakarzinom rasch ansteigt, liefern hier den entscheidenden Hinweis. „Wir haben es häufig mit Metastasen zu tun, die nur wenige Millimeter groß sind und im Körper sehr gut verborgen liegen“, berichtet Prof. Maurer. Zum Beispiel, wenn die Krebszellen ins Lymphgewebe wandern und sich dort vermehren.

Ruhig lässt der Chirurg die Gammasonde über das Operationsfeld gleiten. An einer Stelle fängt sie plötzlich lautstark an zu vibrieren. Enttarnt! Genau hier sitzt die Metastase eines Prostatakarzinoms.

Bildgebende Untersuchung hilft bei Ortung der Krebszellen

Gut versteckt, ja. Unsichtbar sind sie jedoch nicht. Mit neuen Methoden können heute selbst sehr kleine von Tumorzellen befallene Lymphknoten identifiziert werden. Der Schlüssel liegt im Prostataspezifischen Membranantigen PSMA – einer besonderen Eiweißstruktur, die bis zu 1000fach vermehrt auf Prostatakrebszellen vorkommt. Künstlich hergestellten Molekülen gelingt es, das PSMA zu erkennen und es zu kapern. „Zuvor versehen die Kolleg:innen der Nuklearmedizin die Moleküle mit einem Kontrastmittel, das die Prostatakrebszellen radioaktiv markiert. In der bildgebenden Untersuchung lässt die Strahlung die befallenen Zellen dann aufleuchten, sodass wir ihren Aufenthaltsort genau bestimmen können“, erklärt der Urologe.

In der Martini-Klinik ist die PSMA-radioguided Surgery auch minimalinvasiv mit dem roboterassistierten Operationssystem da Vinci möglich. Operateur am da Vinci Operationssystem.
In der Martini-Klinik ist die PSMA-radioguided Surgery auch minimalinvasiv mit dem roboterassistierten Operationssystem da Vinci möglich. Operateur am da Vinci Operationssystem.
Wo befinden sich versteckte Krebszellen? In der Martini-Klinik wird der Tumor, wenn es zu einem Rückfall kommt, per Gamma-sonde hörbar gemacht.
Ruhig lässt der Chirurg die Gammasonde über das Operationsfeld gleiten. An einer Stelle fängt sie plötzlich lautstark an zu vibrieren. Enttarnt! Genau hier sitzt die Metastase eines Prostatakarzinoms.

Doch wie gelingt es, die so gut versteckten Metastasen ebenso zielgenau operativ zu entfernen? „Auch hier leiten uns die PSMA-gerichteten Moleküle sicher zu den befallenen Lymphknoten“, sagt Prof. Maurer. Hierfür erhält der Patient am Tag vor der Operation das minimal radioaktiv geladene Molekül als Injektion, das sich wie ein Puzzlestück an die Krebszelle heftet und sie so enttarnt. Während der OP gehen die Chirurg:innen mit einer Gammasonde – ähnlich wie ein Geigerzähler – über das Operationsfeld. Beginnt die Sonde zu vibrieren, befinden sich darunter Krebszellen, die punktgenau entfernt werden.

Für Patienten mit Prostatakrebs-Rezidiv bedeutet die junge Methode einen Lichtblick: Erste Untersuchungen zeigen, dass ihr PSA-Wert nach der OP dauerhaft reduziert werden konnte und im Folgejahr keine weiteren Maßnahmen wie Hormon- oder Strahletherapien notwendig waren.

Operation auch per Joystick möglich

In der Martini-Klinik ist die PSMA-radioguided Surgery auch minimalinvasiv mit dem roboterassistierten Operationssystem da Vinci möglich. Dabei wird die Gammasonde durch einen kleinen Kanal in den Bauch eingeführt. Der vom Operateur gesteuerte Roboterarm erfasst die Sonde und kann sie in alle Positionen drehen, um den radioaktiv markierten Tumor aufzuspüren. Vorteile für den Patienten sind kleinere Schnitte und weniger Blutverlust, für Operateure ist die verbesserte Sicht auf das Operationsfeld vorteilhaft.

Mehr Informationen?

Hier wird das Verfahren ausführlich erläutert: www.uke.de/martini-psma


So spürt die Gammasonde Metastasen auf

Wie können Lymphknotenmetastasen sicher erkannt und entfernt werden? Prof. Dr. Tobias Maurer erläutert die Methode mit der Gammasonde.

Kein Videospiel

Wenn die Gammasonde über das Operationsfeld geführt wird, "melden" sich die markierten Krebszellen mit einem Tonsignal und geben den Operateur:innen entscheidende Anhaltspunkte, wo sich die Metastasen befinden.

Prof. Dr. Tobias Maurer

Prof. Dr. Tobias Maurer

ist einer der Ärztlichen Leiter der Martini-Klinik im UKE.

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