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Katheterbehandlung auch bei schweren Schlaganfällen wirksam

Auch bei Patient:innen mit schweren Schlaganfällen zeigt die Katheterbehandlung zur Öffnung des Gefäßverschlusses im Gehirn Erfolge. Bei knapp 20 Prozent der behandelten Patient:innen konnte durch ein entsprechendes Verfahren der Tod oder eine Pflegebedürftigkeit verhindert werden. Das ergab die erste Auswertung einer internationalen klinischen Studie unter Leitung des UKE und des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD).

Text: Julia Dziuba, Uwe Groenewold

Damit haben die UKE-Forschenden zum zweiten Mal innerhalb von fünf Jahren bahnbrechende Neuerungen in der Schlaganfallbehandlung im Rahmen von klinischen Studien belegt. Bereits 2018 konnten sie zeigen, dass auch Patient:innen, bei denen der Zeitpunkt des Schlaganfalls unklar war und voraussichtlich schon länger als die bisher als Norm geltenden 4,5 Stunden zurücklag, von einer Blutgerinnsel auflösenden, medikamentösen Therapie profitieren.

In der aktuellen, von der Europäischen Union mit sechs Millionen Euro geförderte TENSION-Studie (Efficacy and safety of ThrombEctomy iN Stroke with extended leSION and extended time window: a randomized, controlled trial) wurde der Erfolg einer Katheterbehandlung bei Patient:innen mit einem akuten ischämischen Schlaganfall (Hirninfarkt), dem ein großer Gefäßverschluss zugrunde lag, geprüft. Auch dieses Mal hat das Team um Prof. Dr. Götz Thomalla, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie und Prodekan für Klinische Studien des UKE, Ergebnisse erzielt, die von der bisherigen Standardbehandlung deutlich abweichen und nun zu einer Therapieverbesserung für künftige Schlaganfallpatient:innen führen können. Sie wurden im Fachjournal The Lancet publiziert.

Eingang zur Stroke Unit im UKE, der Station 5D

Die Patient:innen der TENSION-Studie wurden nach dem bei klinischen Studien üblichen Zufallsprinzip entweder der medikamentösen Standardtherapie oder zusätzlich einer Katheterbehandlung zugeteilt. Bei dieser sogenannten endovaskulären Thrombektomie schieben Ärzt:innen unter Röntgenkontrolle von der Leiste aus einen Katheter in die Arterien des Gehirns vor, um anschließend das Blutgerinnsel zu entfernen, das den Gefäßverschluss verursacht hat. Bislang wurde die Katheterbehandlung von Schlaganfallpatient:innen gemäß internationaler Leitlinien nur dann angewandt, wenn nachweisbar erst wenig Hirngewebe durch den Schlaganfall geschädigt worden war.

Katheterbehandlung kann Krankheitsverlauf verbessern

An der Studie haben 40 Schlaganfallzentren in acht Ländern Europas sowie in Kanada teilgenommen. Im Zuge der Auswertung des Krankheitsverlaufs von 253 Patient:innen zeigte sich bei der zusätzlichen Katheterbehandlung 90 Tage nach Abschluss der Therapie ein deutlich besseres klinisches Ergebnis gemäß der modifizierten Rankin-Skala (mRS), die das Maß einer Behinderung nach einem Schlaganfall beschreibt. In der Gruppe mit zusätzlicher Katheterbehandlung waren deutlich mehr Patient:innen nach dem Schlaganfall nicht auf dauerhafte Hilfe angewiesen (2 Prozent gegenüber 17 Prozent); 31 Prozent waren selbstständig gehfähig (gegenüber 13 Prozent in der Vergleichsgruppe).

Patiententherapie nach einem Schlaganfall - Physiotherapie

Der Anteil an Patient:innen, die in Folge des Schlaganfalls gestorben sind oder pflegebedürftig wurden, war in dieser Gruppe um fast 20 Prozent reduziert (69 gegenüber 87 Prozent), die Zahl der Todesfälle lag um 11 Prozent niedriger (40 gegenüber 51 Prozent). Aufgrund der so bereits frühzeitig nachgewiesenen Wirksamkeit der endovaskulären Thrombektomie bei schweren Schlaganfällen wurde die Studie nach der ersten geplanten Zwischenanalyse vorzeitig beendet.

„Die Ergebnisse der TENSION-Studie zeigen, dass eine Katheterbehandlung auch bei schweren Schlaganfällen wirksam ist. Diese Behandlungsmethode kann dazu beitragen, dass die betroffenen Patient:innen weniger Folgeschäden entwickeln und ein Leben in größerer Selbstständigkeit führen. Auf dieser Grundlage kann die Standardtherapie bei schweren Schlaganfällen erweitert und so die Patient:innenversorgung verbessert werden“, sagt Studienkoordinator Prof. Thomalla.

„Die Katheter­behandlung kann dazu beitragen, dass Schlagan­fall­patient:­innen weniger Folge­schäden entwickeln und ein Leben in größerer Selbst­ständigkeit führen.“


Prof. Dr. Götz Thomalla

Direktor der Klinik für Neurologie


WAKE-UP-Studie ermöglicht vielen Patient:innen eine Thrombolyse

Ein Großteil der jährlich rund 270.000 Schlaganfälle in Deutschland wird durch ein Blutgerinnsel ausgelöst. Dieser sogenannte Thrombus verschließt ein Blutgefäß im Gehirn, sodass Teile des Gehirns nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden können. Je länger der Gefäßverschluss andauert, desto mehr Nervengewebe wird unterversorgt und stirbt ab. Neben der Katheterbehandlung wird außerdem eine medikamentöse Therapie, die sogenannte Thrombolyse, eingesetzt, um das verschlossene Gefäß wieder zu eröffnen. Eine von Prof. Thomalla und seinem Team geleitete Studie („WAKE-UP“) hat erstmals gezeigt, dass auch Patienten, die im Schlaf einen Schlaganfall erleiden und die Symptome erst nach dem Aufwachen am nächsten Morgen feststellen, von der Thrombolyse profitieren können. Die Wiedereröffnung des verstopften Blutgefäßes im Gehirn durch ein Medikament war bis dahin nur möglich, wenn der Symptombeginn bekannt war und nicht länger als 4,5 Stunden zurücklag.

In der WAKE-UP-Studie gelang es nun erstmals, mittels MRT-Diagnostik geeignete Patienten für die Thrombolyse auszuwählen, auch ohne den Zeitpunkt des Schlaganfalls zu kennen. Bei ihnen traten geringere neurologische Symptome oder Behinderungen auf als bei anderen Patienten. „Das positive Ergebnis der WAKE-UP-Studie ist ein großer Schritt zur weiteren Verbesserung der Behandlung von Schlaganfallpatienten, da die Studie die Möglichkeit eröffnet, eine große Zahl von Patienten mit einer Thrombolyse zu behandeln, die bisher davon grundsätzlich ausgeschlossen waren“, sagt Prof. Thomalla. Die für die klinische Behandlung von rund 20 Prozent aller Schlaganfallpatienten wichtigen Studienergebnisse wurden im Fachmagazin New England Journal of Medicine veröffentlicht.



Verdacht auf Schlaganfall? Dann schnell reagieren


Bei plötzlich auftretenden neurologischen Ausfallserscheinungen sollten die Alarmglocken läuten. Mit dem FAST-Test lässt sich überprüfen, ob ein Mensch möglicherweise einen Schlaganfall hat:

  • F steht für face (Gesicht) – der Betroffene wird aufgefordert zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab, dann kann das auf eine Gesichtslähmung hinweisen.

  • A steht für arms (Arme) – der Betroffene sollte beide Arme vor den eigenen Körper nach vorne strecken und die Handflächen nach oben drehen. Klappt das nicht, könnte eine Lähmung vorliegen.

  • S steht für speech (Sprache) – der Betroffene soll einen Satz nachsprechen. Kann er den Satz nicht vollständig wiederholen oder klingt das Gesprochene verwaschen, könnte eine Sprachstörung vorliegen.

  • T steht für time (Zeit) - wenn eine dieser drei Übungen nicht einwandfrei durchgeführt werden kann, dann sollte schnell gehandelt und der Rettungsdienst 112 verständigt werden.