Mit Sicherheit für die Forschung


Im neuen Forschungsgebäude entsteht das erste S3-Labor auf dem UKE-Gelände. Der Bau ist eine besondere Herausforderung für die Expert:innen der KFE.


Text: Sandra Wilsdorf, Fotos: Eva Hecht, Axel Kirchhof

Als sich auf die europaweite Ausschreibung für das S3-Labor im neuen Forschungsgebäude Campus Forschung II/Hamburg Center for Translational Immunology (HCTI) auf dem Gelände des UKE genau ein Architekt, zwei Laborplaner und drei technische Gebäudeausstatter (TGA) bewarben, war das für Thomas Rümcker keine Überraschung: „Es gibt nur eine Handvoll Leute, die sich damit auskennen“, sagt der Leiter der Abteilung Neubauprojekte bei der UKE-eigenen Klinik Facility-Management Eppendorf (KFE).

Glücklicherweise ist er einer davon, hat in der Vergangenheit bereits den Bau mehrerer Labore dieser Art geplant und realisiert. Und so hat der Projektleiter und Architekt ein Team von rund 30 Planer:innen für das erste S3-Labor auf dem UKE-Gelände zusammen gestellt. Neben Architekten und TGAs sind beispielsweise Elektro-, Lüftungs-, Heizungs-, Starkstrom-, Sanitäranlagenplaner dabei. „Die haben so viel Erfahrung, da arbeiten alle auf einem hohen Level, das macht viel Spaß“, sagt Rümcker.

Thomas Rümcker, KFE, Leiter der Abteilung Neubauprojekte

Dahinter steht eine Mission: Die grundlagenwissenschaftliche und klinisch orientierte Immunitäts-, Infektions- und Entzündungsforschung im UKE soll durch den Neubau noch weiter vorangebracht werden. Dafür entstehen in dem neuen Forschungsgebäude mit den beiden baugleichen Hälften rund 150 Laboreinheiten. Eine davon ist die knapp 110 Quadratmeter große S3-Laboreinheit. Hier wird Forschung unter Wahrung größtmöglicher Sicherheitsaspekte möglich sein, die es bislang am UKE nicht gab.

Aber was ist überhaupt ein S3-Labor und was ist das Besondere daran? Es gibt Labore der Stufen S1, S2, S3 und S4. Je höher die Zahl, desto höher die Sicherheitsstandards, die beim Bau und bei der Qualifikation des Personals eingehalten werden müssen. S4-Labore gibt es nur ganz wenige in Deutschland, beispielsweise am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, im Robert-Koch-Institut in Berlin und an der Philips-Universität in Marburg. Hier können etwa Krankheitserreger wie Ebola- oder Lassaviren sicher untersucht werden

Labor der zweithöchsten Sicherheitsstufe

In S3-Laboren kann beispielsweise mit SARS-CoV-2- oder Tuberkulose-Erregern geforscht werden. Damit das für die Menschen, die in den Laboren arbeiten, und die Umgebung des Labors gefahrlos möglich ist, muss bei der täglichen Arbeit, aber eben auch schon beim Bau vieles berücksichtigt werden. Für Thomas Rümcker und seine Kolleg:innen sind dabei vor allem zwei Verordnungen auschlaggebend:

Da ist zum einen die Biostoffverordnung (BioStoffV). Sie enthält Maßnahmen, die den Schutz vor gefährlichen Biostoffen bei den Menschen gewährleisten sollen, die in den Laboren der jeweiligen Schutzstufe arbeiten. Das „S“ von S3 steht dabei für „Schutzstufe 3“. Die sieht beispielsweise vor, dass immer zwei Menschen gleichzeitig im Labor sein müssen, dass sie Schutzkleidung tragen müssen, und dass es eine Sprachverbindung nach draußen gibt, die jederzeit besetzt sein muss, wenn im Labor gearbeitet wird. Ebenso wichtig ist die Gentechnikschutzverordnung (GenTSV). Hier steht das „S3“ für „Sicherheitsstufe 3“. Deren Auflagen beziehen sich vor allem auf den Schutz der Umwelt vor gentechnisch veränderten Organismen.

So schreibt die Verordnung beispielsweise vor, dass jedes S3-Labor eine Schleuse haben muss. Sie trennt das Labor vom öffentlichen Raum des Gebäudes. Ihre Türen sind so ausgelegt, dass sie sich niemals gleichzeitig öffnen lassen – so geht die Ausgangstür erst auf, wenn die Eingangstür zum eigentlichen Labor geschlossen ist. Hier ziehen sich die Mitarbeitenden um und entsorgen auch ihre Schutzkleidung.

Die Zu- und Abluftsysteme des S3-Labors sind außerdem vom Be- und Entlüftungssystems des übrigens Gebäudes komplett getrennt. Die Abluft wird über das Dach abgeleitet, nachdem sie zuvor eine Filteranlage passiert hat, so dass sie keine schädlichen Stoffe mehr enthält.

„Wichtig ist außerdem, dass alle Systeme redundant gebaut werden müssen“, erklärt Rümcker. Abluft, Zuluft, Stromversorgung: Alles gibt es doppelt, damit ein zweites System übernehmen könnte, sollte das Erste ausfallen.

Der Luftdruck ist zudem im Labor niedriger als in der Schleuse und der wiederum noch niedriger als draußen – damit die Luft nicht von drinnen nach draußen strömen kann.

Außerdem muss es in jedem S3-Labor eine Löschanlage geben und natürlich Sicherheitswerkbänke und Autoklaven – das sind gasdicht-verschließbare Druckbehälter – zum Sterilisieren von Materialien. Denn bis auf die Menschen muss alles, was das Labor wieder verlässt, in den Autoklaven mit Hilfe von Hitze sterilisiert werden.

Blick ins Musterlabor des Forschungsneubaus

Alle diese Maßnahmen sind nicht nur aufwändig zu planen und zu bauen, sie sind auch teuer: „Während ein Quadratmeter eines normalen Gebäudes zwischen 4500 und 6000 Euro pro Quadratmeter kostet, ist es bei den S3-Laboren mehr als das Zehnfache“, sagt Rümcker. Allein die dort eingebauten HEPA-Filter (High-Efficiency Particulate Air) kosteten rund 50.000 Euro pro Stück – und müssten etwa einmal pro Jahr ausgetauscht werden. Für den S3-Bereich innerhalb des neuen Forschungscampus einschließlich der peripheren Anlagetechnik rechnet Rümcker mit Kosten von rund 68.000 Euro pro Quadratmeter. Er profitiert davon, dass er bereits Erfahrung im Bau von S3-Laboren hat, wusste, wie er die wenigen Spezialist:innen findet und wie die Ausschreibungsunterlagen zu formulieren sind. Decken und Wände etwa so zu bauen, dass sie im Falle eines Feuers mindestens 90 Minuten standhalten würden, ist dabei nur eine von vielen Anforderungen, die diesen Bau von den meisten anderen unterscheidet. So soll sichergestellt werden, dass die Feuerwehr erst reingehen müsste, wenn innen alle gefährlichen Stoffe und Materialien verbrannt wären.

Die KFE fungiert bei dem Projekt als Vertreter des Bauherren UKE: Das Team aus internen und externen Spezialist:innen plant, organisiert, überwacht und steuert, sorgt dafür, dass Zeit- und Finanzpläne eingehalten werden und alles ordnungsgemäß ausgeführt wird. Dabei gibt es täglich unzählige Fragen zu klären und immer wieder Prüf- und Abnahmeprozesse mit Zwischenprüfungen, damit nötige Kurskorrekturen umgehend erfolgen können. Das alles ist beim Bau eines Gebäudes für Wissenschaft und Forschung besonders herausfordernd: „Es geht ja auch um Fördergelder, die jeweils für bestimmte Zeiträume gewährt werden“, erklärt Ulrike Sitte, Rümckers Stellvertreterin bei der KFE. Zum anderen würden aber auch wissenschaftliche Entwicklungen zuweilen die Anforderungen im laufenden Prozess verändern.

Weit fortgeschritten: der Neubau von Campus Forschung II und HCTI

Auf der Baustelle

Auf der Baustelle lässt sich schon einiges davon erahnen. Das Gebäude auf dem Platz der alten Kinderklinik steht im Rohbau. Es besteht aus zwei Teilen, die in der Mitte durch gemeinsame Räume verbunden sind: Im nördlichen Flügel entsteht der Campus Forschung II, im südlichen das HCTI. Zwar ist in der vierten Etage des Campus Forschung II, wo das S3-Labor später liegen soll, noch alles eine große Fläche, aber beispielweise weisen die Löcher im Boden und in der Decke schon darauf hin, dass hier Leitungen nach unten und nach oben gehen werden. Auch die Fenster, die aus Gründen des Arbeitsschutzes zwar vorgeschrieben sind, sich hier aber niemals werden öffnen lassen, sind schon vorhanden. Mehr zu sehen ist im Erdgeschoss. Hier entsteht gerade ein Musterlabor, das schon einiges hat, was auch das spätere S3-Labor haben wird: Beispielsweise die Notdusche über der Tür, mit der man sich im Notfall die Augen auswaschen könnte. Auch die „Hohlkehlen“ sind schon zu sehen: Anders als in normalen Räumen endet der Estrich hier nicht mit dem Beginn der Wand, sondern geht noch einige Zentimeter höher, um keine Fugen im Boden zu haben. Riesige Kanäle und Rohre für Zu- und Abluft sind ebenso schon vorhanden wie die Tür mit dem obligatorischen Fenster. „Das ist vorgeschrieben, damit auch von außen immer erkennbar ist, was im Labor passiert“, erklärt Rümcker.

Auf der Baustelle: Ulrike Sitte, KFE, und Jörg Floß

Weltweite Krisen beeinflussen den Bau

Dass es überhaupt schon eine Tür gibt, ist keineswegs selbstverständlich. Denn die weltweiten Krisen durch Corona, den Ukraine-Krieg, die Inflation, aber auch die großen Waldbrände der vergangenen Sommer beeinflussen den Baufortschritt auf dem UKE-Gelände. „Während Türen beispielsweise früher eine Lieferzeit von drei bis vier Wochen hatten, sind es momentan bis zu fünf Monate“, sagt Ulrike Sitte. Unter anderem, weil Holz auf dem Weltmarkt knapp sei. Ulrike Sitte, die auch für den Neubau der Martini-Klinik zuständig ist, erinnert zudem an einen Engpass, den es flächendeckend bei Kabeln gab: „Eine der größten Fabriken hierfür steht in Eupen und war von der Flut im Sommer 2021 betroffen, die auch das Ahrtal überschwemmt hat“.

Für die Expert:innen der KFE und ihre externen Kolleg:innen birgt die instabile Lage immer wieder neue Herausforderungen. „Wir müssen flexibler und kurzfristiger planen und sehr viel mehr kommunizieren als sonst“, sagt Urike Sitte. Denn immer wieder müsse abgeglichen werden: Welche Teile gibt es gerade und wo stockt es? „Dann muss man Arbeiten vorziehen, die eigentlich für später geplant waren, damit der Bau trotzdem vorankommt.“ Zwar hat die KFE mit den Lieferanten langfristige Verträge geschlossen, aber „natürlich wirken sich alle diese Entwicklungen preissteigernd aus und wir müssen momentan sehr viele zusätzliche Gespräche führen“, sagt Sitte.

Der Baufortschritt

Noch ist alles einigermaßen im Zeitplan, so dass die Planer:innen davon ausgehen, dass das Gebäude im Laufe des Jahres 2024 fertiggestellt wird. Parallel werden Innenausbauten nach den jeweiligen Anforderungen durch die Nutzer:innen des Gebäudes umgesetzt. Beim Richtfest würdigte Prof. Dr. Blanche Schwappach-Pignataro, Dekanin der Medizinischen Fakultät und Mitglied im Vorstand des UKE den Neubau: „Heute ist für die Wissenschaft und für die translationale Medizin am UKE ein ganz besonderer Moment: Der Rohbau für die zukunftsweisenden Forschungsfelder der Immunitäts- und Entzündungsforschung und der damit eng verknüpften Infektionsforschung steht. In absehbarer Zeit werden hier Wissenschaftler:innen daran arbeiten, neu gewonnene Erkenntnisse aus der biomedizinischen Grundlagen- und klinisch-translationalen Forschung möglichst rasch in die medizinische Versorgung unserer Patient:innen zu überführen.“

Dazu leisten die KFE und das von ihr in Zusammenarbeit mit vielen Institutionen innerhalb des UKE geplante S3-Labor einen wichtigen Beitrag.