Die Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoimmunerkrankung des Nervensystems, die vorwiegend im jüngeren Alter auftritt. In Deutschland erkranken jährlich etwa 15.000 Menschen neu an MS. Frauen sind häufiger als Männer betroffen. Die Ausprägung der Erkrankung kann sehr vielfältig sein. Manche klagen über Lähmungen, Beschwerden der Koordination oder einer Gefühlsstörung. Etwa 30% erleiden Sehstörungen als erstes Symptom.
Was ist Multiple Sklerose? Welche Ursachen sind bekannt? Und wie kann man mit der Erkrankung leben? Antworten auf diese und andere Fragen rund um das Thema Multiple Sklerose erhalten Sie im folgenden Video. Zusätzlich können Sie Ihr Wissen mit dem Fact Sheet vertiefen.
[Film zur Erkrankung]
Der Name Multiple Sklerose (MS) leitet sich davon ab, dass es bei der Erkrankung im Gehirn und Rückenmark zu einigen entzündlichen Läsionen kommen kann, die Patholog:innen früher Sklerosierung (Vernarbungen) genannt haben. Diese Entzündungen können, je nachdem welche Region des Gehirns betroffen ist, zu verschiedensten Symptomen wie Lähmungen, Beschwerden des Gleichgewichts, Gefühls- oder Sehenstörungen auslösen.
Es werden schubförmige und progrediente Verläufe unterschieden. Als schubförmige MS bezeichnet man Verlaufsformen, bei denen es zu plötzlichem, schubhaften Auftreten von neurologischen Symptomen kommt, die sich nach Tagen bis Wochen wieder weitgehend zurückbilden. Bei etwa 75% der Betroffenen beginnt die Erkrankung mit einem schubförmigen Verlauf. Seltener kommt es zu einem schleichend verschlechternden (progredienten) Verlauf.
Um die Erkrankung festzustellen, führen Ärztinnen und Ärzte einige Untersuchungen durch - darunter eine MRT-Untersuchung des Gehirns und Rückenmarks und eine Untersuchung des Nervenwassers.
Die Beschwerden, die bei Multiple Sklerose auftreten können, sind vielfältig, je nachdem welche Gehirnregionen von der Entzündung betroffen ist. Bis zu 30% der Patient:innen klagen bei Erstdiagnose über Sehstörungen wie Verschwommensehen. Andere wiederum beschreiben Kribbeln, Taubheit, Lähmungen, Gleichgewichtsstörungen oder eine vermehrte Abgeschlagenheit (Fatigue). Im Verlauf der Erkrankung können auch Blasen- und Mastdarmstörungen, Spastik und kognitive Einschränkungen auftreten.
Es gibt keine einzelne Ursache, die zur Entstehung von MS führt. Diskutiert werden jedoch neben erblichen Faktoren einige Umweltfaktoren, die das Auftreten von MS wahrscheinlicher machen. Dazu zählen bestimmte Virus-Infektionen, Vitamin D-Mangel, das Rauchen oder Übergewicht und Bewegungsmangel in der Jugend.
Um MS zu diagnostizieren, müssen charakteristische unterschiedlich alte Entzündungsherde an mehreren Stellen im Gehirn oder Rückenmark nachgewiesen werden. Neben Krankengeschichte und klinischer Untersuchung erfolgen eine Kernspintomographie des Kopfes und des Rückenmarks, eine Labor- und Nervenwasseruntersuchung sowie häufig Nervenleitungsuntersuchungen. Andere Erkrankungen müssen als Ursache ausgeschlossen werden.
In der Therapie der Multiplen Sklerose werden drei Therapieansätze unterschieden. Zum einen die "Schubtherapie" und zum anderen die vorbeugende "immunprophylaktische Therapie" und die "symptomatische Therapie" Die Schubtherapie behandelt den akuten Schub - in der Regel mit Kortison. Durch die "immunprophylaktische Therapie" wird die Anzahl von Schüben reduziert. Sie hat zum Ziel, eine mögliche spätere Behinderung zu verhindern bzw. zu verzögern. Aus diesem Grund wird die Therapie heutzutage auch möglichst früh begonnen. Die symptomatische Therapie lindert konkrete Beschwerden.
Die MS ist eine Erkrankung mit tausend Gesichtern. Der überwiegende Anteil der Patient:innen kann ein vollständig normales und eigenständiges Leben führen. Etwa 60% der zunächst schubförmigen Patienten zeigen nach einem Verlauf von mehreren Jahrzehnten progrediente Verschlechterungen. Nach den neusten Daten des deutschen MS-Registers können nach 30 Jahren 70% noch weiter als 100m gehen.
Prof. Dr. Christoph Heesen
Leiter Multiple Sklerose Tagesklinik
Prof. Dr. Manuel A. Friese
Direktor Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose
Prof. Dr. med.
Leitung der MS-Tagesklinik und Ambulanz, Koordination von verschiedenen medikamentösen und nicht medikamentösen Therapiestudien. Schwerpunkte Shared-decision making, Lebenstilmanagement, digitale Therapien
Seit 1995 Aufbau des MS-Bereichs am UKE, enge Kooperation mit der ambulanten neurologischen Reha. Forschungsfokus seit 1995 in der Psychoneuroimmunologie der MS mit dem Fokus Stressregulation sowie seit 2001 zum Shared-Decision-making und der Evidenz-basierten Patienteninformation mit Durchführung randomisiert-kontrollierter Studien zu komplexen Schulungsinterventionen. Darüber hinaus Arbeit an patienten-basierten Outcomeinstrumenten (Lebensqualität) und zum Fitnesstraining bei MS. Seit 2014 Entwicklung und Prüfung von mHealth-Interventionen bei MS. Expertise in Entwicklung und Evaluation komplexer Interventionen und systematischer Reviews, Untersuchungen zum Lebensstil, vor allem Bewegung und Ernährung inkl. MS-Kohorte der NAKO, Innovationsfondprojekt mit 2 RCTS. Forschung zu Zelltherapien bei MS, vor allem Stammzelltransplantation. Toleranzinduktion und seit neuerem CAR-T-Zelltherapie
Prof. Dr. med.
Direktor des Instituts für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose; Grundlagenwissenschaft der Multiplen Sklerose; zelluläre und molekulare Forschung sowie Medikamentenentwicklung.
Manuel Friese studierte Medizin an den Universitäten Hamburg, Oxford und am University College London und erhielt 2001 seinen Doktortitel. Seine neurologische Ausbildung absolvierte er an den Universitäten Tübingen und Hamburg. Nach seinem Postdoc an der University of Oxford von 2004-2008 begann er sein Labor als Emmy-Noether-Forschungsstipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Seit 2013 ist er Facharzt für Neurologie und Professor für Neurologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und seit 2014 Direktor des Instituts für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose (INIMS). Sein Labor beschäftigt sich mit den zellulären und molekularen Grundlagen von entzündlichen und neurodegenerativen Aspekten neuroimmunologischer Erkrankungen, um diese Erkenntnisse in neue Medikamente zu entwicklen.
Zugang nur für Studierende und Mitarbeiter:innen des UKEs
Mit dem Hertie Network of Excellence in Clinical Neuroscience und ihrem Karriereprogramm, der Hertie Academy of Clinical Neuroscience, hat die Hertie-Stiftung ein Netzwerk und Nachwuchsförderprogramm für die klinischen Neurowissenschaften etabliert. Im Jahr 2019 wurden sechs ausgewählte exzellente Forschungsstandorte mit insgesamt 5 Millionen Euro gefördert. Aufgrund der sehr erfolgreichen ersten Förderperiode wurde das Programm im Jahr 2022 mit 6,5 Millionen Euro für weitere drei Jahre verlängert.
In der Behandlung der Multiple Sklerose und ihrer verwandten Erkrankungen wurde in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht. Heilen kann man die Erkrankung zwar noch nicht. In einem umfangreichen Therapieansatz können wir jedoch zur Eindämmung von Schüben und Progression beitragen.
Medikamentöse Therapien von entzündlichen Schüben und prophylaktische Immuntherapien sind ein wichtiger Baustein.
In unserer Tagesklinik möchten wir durch umfangreiche Informationsgabe, z.B. im Entscheidungsmodul DECIMS (DECision making in MS), zusammen mit den Patient:innen zu der bestmöglichen Therapie für jede oder jeden gelangen. Wenn benötigt, können Infusionen in unseren Infusionsräumen gegeben werden. Für einzelne Patient:innen kann eine autologe Stammzelltransplantation in Frage kommen. Dies führen wir mit nun langjähriger Erfahrung in Gemeinschaft mit der Hämato-Onkologie des UKE durch.
In Studien werden experimentelle Therapieansätze wie eine Zelltherapie zur Induktion einer spezifischen Immuntoleranz in schubförmig erkrankten MS Patient:innen oder neue Therapien für Patient:innen mit einer progredient verlaufenden MS untersucht.
Aber Medikamente sind nicht alles! Wir bieten in der MS-Tagesklinik ein umfangreiches diagnostisches und therapeutisches Angebot zu Lebensstil, Einschätzung der sportlichen Leistungsfähigkeit und neuropsychologische Testungen an. Digitale Gesundheitsanwendungen, LEVIDEX zum Lebensstil, DEPREXIS zur Behandlung von Depressionen und ELEVIDA zur Behandlung von Fatigue, sind drei Beispiele von Anwendungen, die unsere Patient:innen in ihrer MS unterstützen können.